Renault

Kangoo

- Tradition und Moderne -

    Vergleich: R4 und Renault Kangoo

    Es bleibt in der Familie

     Kompakte Vielzweckmobile mit hohem Nutzwert

  • Komfortable Federung und gutmütiges Fahrverhalten
  • Sparsamer Kraftstoffverbrauch damals wie heute
  • Zahlreiche Varianten für unterschiedlichste Ansprüche

Es gibt praktische Autos und wirtschaftliche Autos. Autos, die man als Trendsetter bezeichnet, sind schon eher dünn gesät. Und dann gibt es noch einige seltene Exemplare, die einen echten Sympathiebonus errungen haben. Preisfrage: Wie viele Autos weisen alle vier genannten Merkmale auf? Antwort: Wirklich nur ganz wenige – aber zwei davon hat Renault entwickelt und gebaut: den R4 und den Kangoo. Der eine feiert in diesem Jahr seinen
40. Geburtstag, der andere ist schon fast so “kultig” wie sein Urahn.

Vier Jahrzehnte ist es her, seit Renault auf der Frankfurter IAA den R4 enthüllte. Ein vielleicht nicht übermäßig hübsches, dafür aber ungemein innovatives, praktisches und sparsames Automobil. Als erster Fronttriebler des Unternehmens folgte er auf die Heckmotor-Modelle 4CV und Dauphine. Revolutionär wirkte auf die Premieren-Besucher vor allem das geniale Raumkonzept: Der 3,66 Meter lange R4 war das erste Auto mit Frontantrieb, vier Türen, weit öffnender Hecktür, umlegbarer Rückbank und variablem Innenraum. Ohne einschneidende Änderungen lief der Urvater aller modernen Kombi-Limousinen danach 31 Jahre lang vom Band. Mehr als acht Millionen Exemplare machten den R4 zu einem Klassiker der Automobilgeschichte. Seine Deutschland-Karriere endete erst 1988. Da sagte Renault mit der limitierten Sonderserie Renault 4 GTL “Salü” leise “au revoir”. Nach 900.000 verkauften Einheiten.

Der Kangoo setzt seit 1998 die R4-Tradition nahtlos fort

Im Mai 1998 trat der Renault Kangoo samt seiner Nutzfahrzeug-Version Rapid in die Fußstapfen des hochbeinigen Erfolgsmodells R4.

Mit unverwechselbarem Design und den gleichen Tugenden, die schon seinen Urahnen auszeichneten: hohe Variabilität, großzügiges Platzangebot, sichere Fahreigenschaften und geringe Unterhaltskosten. Dazu profitierte das 3,99 Meter lange Modell von den Errungenschaften der Neuzeit: durchzugskräftige, abgasarme Motoren – darunter als Top-Motorisierung ein 59 kW/80 PS starker Direkteinspritzer-Diesel mit einem Verbrauch von 5,7 Litern/100 Kilometer –, umfangreiches passives Sicherheitssystem sowie zahlreiche Komfortfeatures, von denen R4-Fahrer und ihre Zeitgenossen nur träumen konnten. Bis Ende 2000 hat Renault in Deutschland schon über 55.000 Kangoo und knapp 30.000 Kangoo Rapid verkauft – die Erfolgsgeschichte von einst findet ihre logische Fortsetzung.

R4 und Kangoo sind Lademeister par excellence

Vom R4 übernommen hat der Kangoo die leicht erhöhte Sitzposition und die großzügige Kopffreiheit. Im modernen R4-Nachfolger lässt sich bei manchen Versionen sogar im Handumdrehen eine separate Luke am Dachende öffnen – falls einmal eine Teppichrolle stehend zur neuen Wohnung transportiert werden soll. Darüber hinaus verfügt er über zahlreiche, praktische Ablagemöglichkeiten, einschließlich geräumiger Staufächer in der Dachgalerie und einer geheimen Schublade unterm Beifahrersitz.

Die Heckklappen beider Lademeister sind groß und reichen bis auf die Stoßstange hinunter. Für den Kangoo gibt es auf Wunsch und ohne Aufpreis auch seitlich angeschlagene, asymmetrisch geteilte und verglaste Hecktüren an. Das nennt man Fortschritt im Detail. In beiden Modellen breitet sich nach Umlegen der kompletten Rückbank eine völlig ebene Ladefläche aus, die beim Kangoo bis zu 1,38 Meter lang ist. Beim 1,55 Meter hohen R4 steigt das Ladevolumen von 255 auf 950 Liter, beim 1,82 Meter hohen Kangoo reicht die Spanne von beeindruckenden 500 bis auf enorme 2.380 Liter. Und: Die Rückbank lässt sich beim R4-Enkel serienmäßig im Verhältnis 1:3 zu 2:3 umklappen und ermöglicht damit vielfältige Variationen für unterschiedlichste Einsatzzwecke. Da kommt beim Altvorderen dann eine Portion Neid ins Spiel.

Autobahn-Richtgeschwindigkeit als Höchstgrenze

Mit 23 PS aus 747 cm3 ging es 1961 beim R4 los. Peu à peu steigerten die Ingenieure die Leistung des längseingebauten, wassergekühlten Vierzylinders über 26 auf 34 PS aus 1,1 Litern Hubraum. Diese Leistung genügte, um mit einer Spitze von 134 km/h zumindest die Autobahn-Richtgeschwindigkeit zu erreichen. Vollgas war ohnehin nicht die Domäne des R4: Trotzreaktionen des Aufbaus auf kräftige Windböen und kleine Wirbelstürme rund um A- und
D-Säule funktionierten als eingebautes Tempolimit.

Sparsamer Verbrauch damals wie heute

Der Verbrauch des R4-Motors, der noch von einem Zenith Fallstrom-Vergaser gespeist wurde, lag bei moderaten 5,4 bis 6,5 Litern/100 Kilometer Super verbleit (nach alter DIN-Norm). Der moderne, direkteinspritzende 1.9 dTi-Diesel des Kangoo leistet bei 4.000 Umdrehungen 59 kW oder 80 PS und verbraucht ebenfalls bescheidene 5,7 Liter/100 km – allerdings nach der praxisgerechteren ECE-Norm. Auf der Autobahn pendelt die Tachonadel bis hart an die 170 km/h-Marke, was effektiv 160 km/h Höchstgeschwindigkeit gleichkommt. Auch der 43 kW (60 PS) starke 1,2 Liter Benziner bleibt mit 6,9 Litern Super je 100 Kilometer im
EU-Mix auf der sparsamen Seite – obwohl er im Vergleich zum R4 fast 400 Kilo mehr Lebendgewicht auf die Waage bringt.

Proaktive Automatik statt Revolverschaltung

Den Unfallforschern des 21. Jahrhunderts mag die Revolverschaltung des R4 ein Dorn im Auge sein, doch Spaß macht sie allemal. Exakt lassen sich die vier (bis 1968 noch drei) Vorwärtsgänge quasi aus dem Handgelenk einlegen, nur das Auffinden des Rückwärtsgangs verlangt mangels exakt definiertem Umlegepunkt etwas Gewöhnung. Im Kangoo dagegen wechselt man mit einem konventionell auf der Mittelkonsole sitzenden Schalthebel die fünf Gänge. Optional bietet Renault aber auch das proaktive Automatikgetriebe an. In Verbindung mit dem 75 PS starken 1.4 Liter-Benziner lieferbar, passt es sich dem individuellen Fahrstil des Fahrers sowie dem Streckenprofil perfekt an und legt unter allen Bedingungen immer den optimalen Gang ein. Scheibenbremsen, die beim Renault 4 erstmals ab 1983 an der Vorderachse montiert, gehören heute bei jedem Kangoo zur Serienausstattung, und zwar rundum an allen vier Rädern. Serienmäßig verfügt der junge Lademeister außerdem über ABS.

Komfortable Federung und gutmütiges Handling

Mit auch hinten einzeln aufgehängten Rädern – bis heute im Markt noch keineswegs üblich – macht zügiges Fahren im R4 richtig Spaß. Zwar neigt sich der Oldie in forsch angegangenen Biegungen kräftig zur Seite, jedoch wird es dabei nie gefährlich. Zum Kippen war der R4 nicht nur zu schade, sondern auch zu spurstabil. Die Lenkung ist überraschend zielgenau, die Federung dank 26 Zentimeter Federweg sehr schluckfreudig. Die vorne längs und hinten quer liegenden Drehstabfedern beanspruchen nur wenig Platz, was vor allem dem Laderaum zugute kommt: Das Kofferraumabteil wird nicht durch Federbeindome eingeschränkt. Der Kangoo macht sich das bewährte R4-Prinzip zu Nutze. Die hintere Einzelradaufhängung mit gezogenen Längslenkern und Torsionsfederstäben beschert auch seinem Stauraum die gewünschte, quaderförmige Grundform. Sein Fahrwerk bügelt Unebenheiten in der Fahrbahn noch souveräner weg als der R4, und in etwas zu forsch angegangenen Kurven bremst er sich gutmütig untersteuernd ab.

Kangoo-Cockpit orientiert sich an Limousinen-Vorbildern

Im Vergleich zu den kargen Anfangstagen macht das Armaturenbrett der späten Renault 4-Modelle deutlich mehr her: Elf Kontrolllämpchen, ein Rundtacho, eine wild schwänzelnde Benzinanzeige und eine nachts nur schwach illuminierte LCD-Quarzuhr gelten Mitte der 80er-Jahre im Renault 4 als letzter Schrei. Das Kangoo-Cockpit dagegen überzeugt mit hoher Funktionalität und orientiert sich am Standard moderner Renault-Limousinen. Alle Schalter und Hebel sitzen griffgünstig platziert am richtigen Platz. Gut ablesbare Rundinstrumente informieren über alle wesentlichen Funktionen.

Passive Sicherheit wird groß geschrieben. Schließlich hat Renault auf diesem Gebiet in Europa eine Führungsposition inne, wie die erstmalige Verleihung von fünf Sternen für den neuen Laguna im Euro-NCAP-Test eindrucksvoll beweist. Als Selbstverständlichkeit findet sich auch im Kangoo ab Werk das programmierte Rückhaltesystem (PRS) mit Adaptiv-Airbags für Fahrer und Beifahrer, Gurtstraffern/Gurtkraftbegrenzern, vier (ab RT-Version fünf) höhenverstellbaren Sicherheitskopfstützen und ISOFIX-Befestigungssystem für einen Kindersitz auf dem mittleren Rücksitz. Im Renault 4 sichert man sich – so gut es nach damaliger Technik geht – mit Dreipunkt-Automatikgurten.

Detailvergleiche machen den Unterschied zwischen den Generationen besonders deutlich. Stichwort Heizung: Während es dem R4-Gebläse nur mit Mühe gelingt die Scheiben beschlagfrei zu halten, verwöhnt der Kangoo – ab Expression serienmäßig – mit einer Klimaanlage. Um beim Kangoo die Scheibenwaschanlage zu aktivieren, genügt ein leichter Zug am Lenkstockhebel. Beim R4 muss der linke Fuß des Fahrers zuerst den Gummi-Pumpknopf am Boden ertasten und dann per Muskelkraft Waschwasser “fördern” – Erfahrung mit dem Aufpumpen von Luftmatratzen erweist sich hier als vorteilhaft. Ebenfalls puristisch: die ins blanke Blech der inneren Türverkleidung eingelassene Griff-Drücker-Kombination und die ebenso typischen, seitlichen Schiebefenster.

Variantenvielfalt damals wie heute

Mit unterschiedlichen Variationen des jeweiligen Grundthemas macht Renault den Kangoo – wie seinerzeit auch den R4 – für immer mehr Menschen, sprich: neue Zielgruppen, interessant. Bereits 1964 erhält die R4-Palette Verstärkung durch eine Version für elegante Großstädterinnen: den “Parisienne” mit Schotten- oder Korbgeflechtmuster an den Wagenflanken. Damit kann Madame nach dem Einkaufen im Supermarché noch stilvoll zur Oper fahren. Im August 1998 greift Renault das Thema von einst wieder auf und bringt die Sonderserie Kangoo “Parisienne”, erneut verziert mit dem charakteristischen Karomuster auf den Seitenpartien. Weniger auf Eleganz denn auf maximierten Nutzeffekt getrimmt sind die Kleintransporter-Versionen. Im Herbst 1962 wird der R4 als Kombi und Kastenwagen unter dem Namen “Fourgonnette” präsentiert. 1975 ergänzt der größere und stärkere F6 den F4. Bis 1985 wird der beliebte City-Transporter produziert, dessen moderner Nachfahre auf den Namen “Kangoo Rapid” hört.

Kangoo mit zweiter Schiebetür setzt neuen Trend

Zum Jahrtausendwechsel ergänzte Renault die Kangoo-Palette durch eine Version mit zweiter seitlicher Schiebetür. Sie ermöglicht den Fondpassagieren nun auch von der Fahrerseite aus einen problemlosen Einstieg, während sich für Kunden des Rapid im gewerblichen Bereich ungeahnte Vorteile beim Be- und Entladen von Gütern ergeben. Als Option für den Kangoo Rapid hat Renault zudem einen umlegbaren Beifahrersitz und eine schwenkbare Vario-Trennwand im Angebot. Sind beide Extras an Bord, lässt sich zum Beispiel das Ladevolumen eines Rapid Maxi auf 3,5 Kubikmeter und die maximale Laderaumlänge auf 2,79 Meter steigern. Dann passen selbst lange Gegenstände wie Holzbalken bequem hinein. Zum Modelljahrgang 2000 führte Renault den Rapid darüber hinaus in einer um 32,5 Zentimeter gestreckten Version ein. Bei einer Gesamtlänge von 4,32 Metern zeigt sich der Maxi-Rapid als echtes Raumwunder: Rund zwei Drittel der Wagenlänge stehen zur Unterbringung des Ladeguts zur Verfügung.

Fit for fun – die sportlichen Varianten

Auch die allradgetriebenen R4-Modelle finden im Kangoo 4x4 ab dem Herbst 2001 moderne Nachfahren. Urahn aller Allrad-Renault 4 ist die in Zusammenarbeit mit dem Spezialisten Sinpar entwickelte und ab 1964 angebotene 4x4-Version. Dank der überlegenen Traktion und der sprichwörtlichen Zuverlässigkeit erringt ein Allrad- Renault 4 1979 den zweiten Platz im Gesamtklassement der Paris–Dakar, 1980 reicht es zu einem dritten Gesamtrang. Auch heute mischen wieder Kangoo 4x4 bei den großen “Raid”-Rallyes kräftig im vorderen Feld mit. Zuletzt bei der Tunesien-Rallye im April 2001.Zurück zu den frontgetriebenen Spaßmobilen: 1969 folgt der Renault 4 “Plein Air”, ein 590 Kilo leichtes Cabrio mit Stahlkarosse, aber ohne Türen. Ebenfalls dem französischen Laissez-faire-Gedanken huldigt der mit Sitzbezügen im Hängematten-Stil ausstaffierte Renault 4 “Safari” von 1976, ehe Renault 1981 mit dem Renault 4 “Jogging” der Fitness-Welle Reverenz erweist. Auch bei der Ausweitung der Kangoo-Palette hat Renault das Thema “Fit for Fun” nicht aus den Augen gelassen. Das zeigt der Kangoo “Freeworld” mit erhöhter Bodenfreiheit, stabilem Triebwerksschutz und verstärkten Achsen ebenso wie die ab Sommer 2000 ins Programm genommene Variante mit praktischem Faltschiebedach.

Kango 4x4 noch vielseitiger

Auf dem Genfer Automobilsalon 2001 präsentierte Renault den Kangoo 4x4 – das zweite familientaugliche Freizeitfahrzeug mit Allradantrieb nach dem Scénic RX4 und die richtige Antwort auf die starke Nachfrage im weiter wachsenden Segment der so genannten Sport Utility Vehicles (SUV). Das neue Modell setzt auf die bewährten Stärken des Kangoo-Konzepts, vor allem Funktionalität und pfiffige Innenraumgestaltung, legt aber zusätzlich einen neuen Akzent auf noch vielseitigere Einsatzmöglichkeiten und höhere Freizeitorientierung. Die Hinterachsbaugruppe samt adaptiver Hydraulikkupplung stammt vom Allrad-Spezialisten und Renault-Allianzpartner Nissan.

Erschwingliche Preise machen den Einstieg leicht

Die Preise für den Kangoo beginnen bei 22.492,50 Mark oder 11.000 Euro. Zum Vergleich: Der letzte in Deutschland angebotene Renault 4 (GTL “Salü”) kostet im Dezember 1988 exakt 12.590 Mark. Damit lag das Auslaufmodell nur 700 Mark unter dem Preis des Renault 5 “Campus”. Am Ende machte dann – wie so oft – der Jüngere dem Älteren den Garaus. Wie schrieb die Kölner “Auto Zeitung” in ihrer R4-Abschiedsgeschichte ohne Krokodilstränen: “Nummer 4 geht und Nummer 5 lebt. C’est la vie, Du alte Blechdose aus Paris!” Im letzten vollen Verkaufsjahr wollten noch 1.064 deutsche Fans einen Renault 4 haben. Die Zeit war halt selbst an ihm, dem ewigen Nonkonformisten, nicht spurlos vorübergegangen.

    Text: wdt, Renault Fotos: Renault

    Autorecht24.de

               TC Tölle Consulting/Juli 2001